Das Parfum in Grasse
Grasse ist eine Kleinstadt mit 51 000 Einwohnern, im malerischen Hinterland der Côte d’Azur eingebettet zwischen Meer und Gebirge und nur 17 Km von Cannes und 35 Km von Nizza entfernt.
Die Hauptgeschäftigkeit dieser Stadt betrachtend, bemerkte der französische Schriftsteller Francis de Croisset einmal, Grasse sei die einzige Stadt auf dieser Welt, in der das Wort „Fabrik“ poetisch klinge.
Schon in der frühen Renaissance war Grasse das Zentrum der Gerberindustrie und der Handschuhproduktion. Das war einerseits auf die zahlreichen Schafherden und andererseits auf das reichlich vorhandene Quellwasser, das zur Verarbeitung der Häute diente, zurückzuführen. Grasse profitierte im 16. Jahrhundert weiterhin von der durch Catherina von Medicis aufgebrachten Modeerscheinung, parfümierte Handschuhe zu tragen. Bald wurde die Stadt auch am Hofe Ludwigs des XIII so berühmt, dass man 1614 die Zunft der «Handschuhmacher und Parfümeure» offiziell anerkannte.
Die für die Parfümherstellung hauptsächlich genutzten Pflanzen waren damals die Blüten des Jasmin, der Rose und der Tuberose.
Da sich die Produktion parfümierter Öle im Laufe der Zeit als lukrativer erwies, als die von Handschuhen, die im 18. Jahrhundert langsam aus der Mode gerieten, entstand mit der Herstellung reiner Parfümessenzen ein bedeutender Industriezweig.
Es gelang Grasse und seinem Umland jedoch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, internationalen Ruhm zu erlangen. Dies haben wir dem Talent, dem Savoir-faire und der Anpassungsfähigkeit einiger großer Industriefamilien zu verdanken. In den neu entstandenen Fabriken wurden die in der Umgebung angebauten Blumen, die importierten Rohmaterialien und die von Tochtergesellschaften zubereiteten Essenzen verarbeitet.
Bis heute wächst die Industrie in Grasse und dehnt ihre Produktion auf Grund der ständigen Nachfrage von Seiten des wachsenden und sich verändernden Marktes aus.
- An erster Stelle steht die Erweiterung über die klassischen Produkte wie Parfüm, Kosmetik und duftende Seifen hinaus auf Reinigungsmittel, Waschseifen und die gesamte Reinigungs- und Wartungsindustrie.
- Darüber hinaus werden Geschmacksstoffe und Aromen für die wachsende Nahrungsmittelindustrie entwickelt.
70 Unternehmen
Grasse hat derzeit etwa 70 Unternehmen in der Parfumindustrie.
1,5 Milliarden
Ein Bruttoeinkommen von ungefähr 1,5 Milliarden Euros (mehr als 2,6 Milliarden weltweit für Firmen, deren Geschäftssitz sich in Frankreich befindet). Rund 2/3 davon werden durch den Verkauf von Parfum und 1/3 durch den Verkauf von Lebensmittelaromen erwirtschaftet
5000 Angestellte
Diese Unternehmen beschäftigen etwa 5000 Angestellte und verzeichnen eine Exportrate von 70%.
Der lokale Blumenanbau und die Techniken der Gewinnung
Zahlreiche Touristen, die das Hinterland der Côte d’Azur besichtigen, suchen vergeblich nach großen Blumenfeldern. Der Grund hierfür ist, dass sich der Pflanzenanbau für die Parfümherstellung auf wenige Familien beschränkt, die Ernte saisonbedingt und die Wachstumsperiode nur von kurzer Dauer ist.
Rosen (es handelt sich hier um die Rose Centifolia, die unter dem Namen “Mai-Rose” bekannt ist) werden vom ersten Mai bis zum ersten Juni geerntet, Orangenblüten von Ende April bis Anfang Juni und der Jasmin im Juli und August. Früher konnte man im Morgengrauen die Arbeiter beobachten, wie sie die noch mit Tau bedeckten Blüten abzupften, ehe die Sonne schädlichen Einfluss auf sie haben konnte.
Die wohl beeindruckensten Felder sind die der Mimose von Januar bis März in der Region des “Massif du Tanneron”. Aber auch die Blüte des Ginsters im Juni und die des Lavendels im Juli sind bewundernswert.
Für die Parfums werden insbesondere folgende örtliche Pflanzen benutzt: Jasmin, Rosen, Orangenblüten und –blätter, Tuberose, Narzissen, Veilchen, Mimose, Lavandin und Lavendel.
Dazu werden folgende Materialien in ihrem Rohzustand aus anderen Ländern importiert:
- Wurzeln, wie die der Iris aus der Toskana, dem Vetiver aus Haiti und /oder Java, usw.
- Flechten, wie z.B. Eichenmoos aus dem Balkan
- Samen: Ambretta aus der Martinique oder den Seychellen, Pfeffer, Karotten, Kümmel und Koriander
- Hölzer: Sandelholz, Zedernholz
- Blätter: Patchouli, Geranien
- Rinde: Zimt und Styrax
- Harze: Ciste, Weihrauch und Opoponax
Die Extraktion
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Enfleurage – Die Extraktion mittels Fettstoffen
Dies ist die älteste, heutzutage schon fast völlig vergessene und überholte Methode. Sie vermeidet jede Veränderungen der Materialien und macht es möglich, die Düfte zartester Blumen, wie Jasmin, Tuberose oder Mimose zu gewinnen.
In Holzrahmen gefasste Glasplatten werden mit einer Mischung aus tierischen Fetten bestrichen, auf die man vorsichtig die Blütenblätter drückt. Diese werden alle zwei bis drei Tage durch frische Blüten erneuert. Am Ende der Saison wird das mit Duftstoffen gesättigte Fett mit reinem Alkohol in einer Knetmaschine vermengt. Auf diese Weise gewinnt man die Pomaden-Absolue.
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Destillation
Mit diesem Verfahren erhält man die Essenzen von Pflanzen wie Lavendel, Patschuli, Vetiver und Geranien, die sie bereits in ihrem natürlichen Zustand beinhalten. Das Aroma von sehr zarten Blumen mit fragilen Blüten kann auf diese Weise nicht gewonnen werden.
Die Pflanzen kommen mit Wasser in einen Destillierkessel und das Ganze wird zum Sieden gebracht. Der dadurch erzeugte Dampf löst die Essenzen der Pflanzen und trägt sie mit sich über einen sogenannten Schwanenhals in einen zweiten Kessel, wo er durch feine Röhren geleitet und abgekühlt wird. Das dadurch entstandene destillierte Wasser enthält die Essenzen der Pflanzen deren spezifisches Gewicht sich von dem des Wassers unterscheidet und infolgedessen können beide Substanzen mit Hilfe einer „florentinischen Vase“ voneinander getrennt werden.
Um 1 kg Essenz mittels dieser Methode zu erhalten, benötigt man z.B. 330 kg von Patschuliblättern oder 150 kg Lavendelblüten.
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Expression
Die Essenzen der Zitrusfrüchte (Zitrone, Orange, Bergamotte oder Mandarine) können durch Zugabe bestimmter chemischer Mittel und durch Wärmezufuhr gewonnen werden.
Wenngleich die meisten verarbeiteten natürlichen Produkte pflanzlicher Herkunft sind, gibt es vier vom Tier stammende Rohmaterialien:
- Ambra (vom Pottwal)
- Moschus (vom Moschustier)
- Castoreum (vom Biber)
- Civette (äthiopische Bisamratte)
Heutzutage werden diese tierischen Stoffe synthetisch hergestellt.
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Extraktion der Duftstoffe durch Lösungsmittel
Auf Grund der niedrigen Siedepunkte bestimmter Lösungsmittel (Äther, Alkohol, Azeton, usw.) ist es möglich, das Wachs frischer und das Harz trockener Pflanzen zu gewinnen. Um das Wachs in eine flüssige Essenz zu verwandeln wird es mit Alkohol erwärmt und anschließend abgekühlt, damit Fettpartikel und Unreinheiten entfernt werden können. Danach wird der Alkohol verdampft und somit erhält man die sogenannte „Absolue“.
Bei dieser Methode benötigt man 600 kg von Rosen oder Jasmin, um 1 kg reiner Essenz zu erhalten.
Der Parfumeur
Das Parfum ist die Vollendung der kreativen Arbeit des Parfumeurs.
Wer ist diese geheimnisvolle Person? Welche Rolle spielt sie? Wie arbeitet sie?
Der Parfumeur, auch “Nase” genannt, ist ein Parfumkomponist. Auf seiner “Orgel” befinden sich etwa 2000 Grundstoffe, davon verwendet er ca. 1000 regelmäßig.
Wie schafft er es, sie alle zu erkennen, sie sich zu merken und sie letztendlich miteinander zu kombinieren?
Zuerst durch natürliches, angeborenes Talent:
- eine gute Nase, d.h. ein scharfer Geruchssinn, um die Feinheiten verschiedener Nuancen und Düfte wahrzunehmen.
- die Fähigkeit, sich so stark zu konzentrieren, dass er sich von allen äußeren Einflüssen isolieren und sein ganzes Denken auf die Gerüche lenken kann.
- Schließlich benötigt er ein gutes Gedächtnis, um sich die verschiedenen Duftnoten einzuprägen, sie mit anderen in Verbindung zu bringen und sie später mit Sicherheit wiederzuerkennen.
Da das Erinnerungsvermögen des Parfumeurs ständig gefordert wird, muss er über ein hervorragendes Gedächtnis verfügen.
Der Parfümeur achtet darauf, seine natürliche Begabung durch starke Selbstdisziplin aufrechtzuerhalten: Er muss ständig seinen Geruchssinn vor äußeren negativen Einflüssen, wie z. B. Tabak, schützen. Es ist unerlässlich, dass er sich fortwährend darum bemüht, die Sensibilität seiner Nase durch Geruchstests und Übungen zu verbessern und das Gedächtnis durch kontinuierliches Recherchieren zu trainieren.
Zusätzlich zu diesem Talent muss er über gewisse Charaktereigenschaften verfügen, um immerzu erfolgreich zu sein:
- Fleiß: da die Welt der Düfte stetem Wandel unterliegt, muss der Parfümeur laufend dazulernen und sollte daher seine Arbeit wirklich lieben.
- Fantasie und eine gewisse Sensibilität für Schönheit. Parfüms stellen Formen und Strukturen dar. Die Fantasie erschafft sie und kreiert immer wieder neue Formen, die schön sein und gefallen sollen. Um den Ansprüchen der Kunden zu genügen, müssen die Parfüms die persönliche Note des Kreateurs tragen, die seinen Sinn für Harmonie und Schönheit ausdrücken.
« Wer die Düfte beherrscht, herrscht auch über das Herz des Menschen »
Jean-Baptiste Grenouille
Wie entsteht bei unserem Parfumkomponisten die Idee eines Parfums?
Meistens ist dies der Fall, wenn er einen neuen Duft, sei er natürlich oder synthetisch, wahrnimmt.
Er entwickelt gedanklich eine Fülle von Ideen und übersetzt diese in die eigentliche Strukturform. Denn die Kunst der Herstellung von Parfüm ist es, die richtigen Proportionen zu finden.
Man muss hinzufügen, dass nicht jede Neukreation von Erfolg gekrönt wird und der Parfümeur des Öfteren von vorne beginnen muss.
Es muss hervorgehoben werden, dass sich die heutigen Parfumkreateure auf extrem moderne Analysetechnologien stützen können, über die auch alle Unternehmen in Grasse verfügen.
Dazu zählen zum Beispiel die Massenspektrometrie und die Kernresonanz-Spektroskopie. Dies sind Methoden, die dem Parfumkreateur helfen, sein Wissen über Duftprodukte auszudehnen, zu vertiefen und strenge Qualitätskontrollen der verwendeten Rohmaterialien durchzuführen.
Außerdem kann den Kunden unter Berücksichtigung der von der I.F.R.A. (INTERNATIONAL FRAGRANCE ASSOCIATION) und der I.O.F.I. (INTERNATIONAL ORGANIZATION OF THE FLAVOR INDUSTRY) herausgegebenen Regelungen mit Sicherheit garantiert werden, dass die Produkte die Gesundheit nicht schädigen.